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Familienzeiten

Von Bianca Koschel

28. April 2020


Seit mehr als sieben Wochen ist die Kernfamilie oder der Partner die einzige Gesellschaft, die uns ununterbrochen umgibt, es sei denn wir leben in einem Singlehaushalt. Und während die Einen die Beschränkungen auf die allernächsten Angehörigen als Wohltat empfinden, bringt es für andere über diesen langen Zeitraum große Konflikte mit sich.

Ob man die derzeitige Situation eher als Bereicherung oder Belastung empfindet, hängt meiner Meinung nach nicht unwesentlich davon ab, wie selbständig jede im Haushalt lebende Person bereits ihr Leben bewältigen kann. Meiner Beobachtung nach hängt der Leidensdruck von Familien maßgeblich von der Anzahl und vom Alter der Kinder ab. Sind die Kinder größer und beschäftigen sich weitgehend selbst (auch mit erhöhtem Medienkonsum, der uns gerade als geringstes Problem erscheint), lässt es sich aushalten. Auch für Familien mit nur einem Kind hält sich der Stress oftmals in Grenzen. Hat eine Familie mehrere Kinder, sind diese (auch teilweise) noch klein und müssen ständig oder sehr viel beaufsichtigt werden, wird es schwierig.

Alles lastet auf den Schultern der Eltern

Es ist bei näherer Betrachtung eine unglaubliche Leistung, die viele Eltern seit Wochen schultern: sie gehen ihrer Arbeit nach, beaufsichtigen und bespaßen ihre Kinder und erledigen gemeinsam mit ihnen ihre Schularbeiten. Sie drucken Unmengen an Unterrichtsmaterial aus, welches Lehrer auf virtuellem Weg zur Verfügung stellen, halten Fristen ein, zu denen Ergebnisse hochgeladen oder per E-Mail eingereicht werden müssen. Sie sorgen für mindestens drei Malzeiten am Tag, gehen einkaufen, waschen Wäsche und halten den Haushalt einigermaßen sauber. Ganz nebenbei betätigen sie sich als Streitschlichter, Tröster und Freizeitgestalter. Zeit für sich selbst gibt es höchstes einmal am Abend. Aber da die Kinder meistens nicht mehr so früh aufstehen, gehen sie auch später ins Bett, was das Zeitfenster für Eltern sehr einschränkt.

Diese enorme Anstrengung ist vom ständigen Frust begleitet, an allen Fronten unzulänglich zu sein, denn jedem, der einigermaßen klar denken kann, dürfte klar sein, dass nicht alle Aktivitäten ordentlich und gewissenhaft erledigt werden können. Dass immer irgendwo Abstriche gemacht, Kompromisse geschlossen und halbgare Lösungen gefunden werden müssen. Das macht viele auf Dauer unzufrieden und aggressiv.

Ihr wollt doch nur in Ruhe shoppen gehen!

Ich nehme in meinem Umfeld, aber auch in den Medien einen wachsenden Unmut bei den Eltern kleinerer Kinder wahr, für die der aktuelle Zustand nicht mehr tragbar erscheint und die sich von Politik und Gesellschaft allein gelassen fühlen. Sie fordern die sofortige Öffnung von Kitas, Tagesmüttern und Grundschulen. „Ihr wollt doch nur mal wieder in Ruhe shoppen gehen“, las ich neulich als Antwort auf den offenen Brief einer Mutter, die drei Kinder vom Baby- bis zum Grundschulalter betreut und bei der der andauernde Stress bereits körperliche und psychische Krankheitssymptome ausgelöst hatte. Ein anderer Kommentator wollte wissen „Warum schafft man sich überhaupt Kinder an, wenn man nicht mal in der Lage ist, sie ein paar Wochen um sich zu haben? Ihr könnt es doch nicht erwarten, eure Blagen wieder irgendwohin abzuschieben, damit ihr endlich eure Ruhe habt!“ Das ist empörend und beschämend.

Es mag Menschen geben, die den aktuellen Zustand problemlos stemmen können und ihn vielleicht sogar als „Family-Quality-Time“ genießen. Herzlichen Glückwunsch, Sie scheinen irgendetwas richtig zu machen! Das gibt aber niemandem das Recht, diejenigen anzugreifen, die im Moment in aller Stille und ohne Anerkennung, Dank oder Unterstützung Höchstleistungen bringen und damit überfordert sind.

Danke, liebe Eltern, ihr seid großartig!

Es gibt momentan keine zufriedenstellende Lösung für die Nöte und Bedürfnisse von solchen Familien. Es gibt Forderungen, Überlegungen, Argumente und Gegenargumente. Ich befürchte jedoch, dass die Belastungen für Familien wahrscheinlich noch eine ganze Weile konstant hoch bleiben. Grund genug, einmal Wertschätzung und Respekt zu zollen: allen Eltern, die gerade ohne Pause auf Hochtouren ihr Bestes geben, die permanent im Einsatz sind, sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse dauerhaft zurückstellen. Die in der Isolation keine Entschleunigung und Besinnlichkeit finden, sondern für die das alles ein riesiger Kraftakt und nicht endender Stress ist. Danke, liebe Eltern, ihr seid großartig, stark und unersetzlich!