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Die große Angst, sich unbeliebt zu machen

Das Bild zeigt den Kopf und die Schultern einer Frau. Sie hat die Hand sorgenvoll an ihre Stirn gelegt. Die Pose drückt die Angst der Frau aus, sich mit ihrem Verhalten unbeliebt zu machen.

Von Bianca Koschel

11. Oktober 2022


Ich habe vor kurzem einen Workshop mit dem Titel „Smart nein sagen ohne schlechtes Gewissen“ durchgeführt. Dabei habe ich mehr als 100 Menschen gefragt, was sie am meisten befürchten, wenn sie „Nein!“ sagen und klare Grenzen setzen.

Die mit Abstand häufigste Antwort lautete wörtlich oder sinngemäß „Ich habe Angst, mich unbeliebt zu machen.“ Ich fand diese Ehrlichkeit bemerkenswert, denn glaube ohnehin nicht so recht daran, wenn mir Menschen erzählen, dass es ihnen ganz egal ist, was andere über sie denken. Es mag einzelne, sehr weise und erleuchtete Menschen geben, die ihr Selbstwertgefühl gänzlich unabhängig vom Werturteil anderer speisen. Für die meisten anderen aber ist es für das eigene Selbstbild von großer Bedeutung, was uns von außen gespiegelt wird, beziehungsweise, was wir aus den Signalen aus unserer Umwelt herauslesen.

Positive Rückmeldungen erhöhen unser Selbstwertgefühl

„Wir können erst durch den Vergleich mit anderen ermessen, was wir wert sind. […] Wir sind auf die Beurteilung anderer angewiesen, um unseren Weg zu finden.“ schreibt Vera F. Birkenbihl.*

Wenn andere Menschen uns positiv sehen, erhöht das unser Selbstwertgefühl. Nehmen wir eine negative Sichtweise durch andere wahr, so kann das unser Selbstwertgefühl stark bedrohen. Dabei ist es unerheblich, ob diese negative Sichtweise von anderen Menschen wirklich existiert oder ob wir sie uns nur einbilden.

Wie stark wir uns durch negative Rückmeldungen beeinträchtigen lassen, hängt von unserem Selbstwertgefühl ab. Menschen mit eher schwachem Selbstwertgefühl sind sehr viel anfälliger dafür, sich durch Signale von außen verunsichern und „herunterziehen“ zu lassen und neigen zudem dazu, aus dem Verhalten anderer überwiegend negative Signale herauszulesen.

Wenn wir uns den menschlichen Bedürfnis-Turm* anschauen, so lässt ist das Bedürfnis nach Anerkennung durch unsere Umwelt gleich hinter den Grundbedürfnissen wie Nahrung (Stufe 1) und Sicherheit (Stufe 2) auf der Ebene der „sozialen Bedürfnisse“ auf Stufe 3 verortet. Diese Stufe sichert nach dem physiologischen Überleben das psychologische Überleben von Menschen und beinhaltet auch unser so kostbares Selbstwertgefühl, was es unbedingt zu schützen und zu stärken gilt.

Die Angst, sich unbeliebt zu machen, ist also erstmal eine ganz nachvollziehbare Reaktion auf ein elementar wichtiges menschliches Bedürfnis zur Erhaltung unserer psychischen Gesundheit.

Wir brauchen nicht Anerkennung um jeden Preis

Das ist doch zunächst einmal sehr beruhigend und erklärt, warum wir uns so schwer damit tun, andere Menschen zu enttäuschen, wenn wir für unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche einstehen. Aber heißt das jetzt, dass wir weiterhin alles tun und ertragen müssen, nur um Anerkennung von anderen zu bekommen, weil es ein Grundbedürfnis ist, beliebt zu sein?

Mitnichten! Wenn die Jagd nach Anerkennung ein Maß annimmt, welches auf Kosten unserer Selbstfürsorge geht, ist unsere psychische Gesundheit ebenfalls in Gefahr. Wenn die Angst, uns unbeliebt zu machen, zur vorherrschenden Grundlage für unsere Entscheidungen wird, ist etwas in die Schieflage geraten.

Wir sind als Menschen nicht unabhängig vom Werturteil anderer, weil wir Wertschätzung, Zugehörigkeit und Anerkennung brauchen, um uns „okay“ zu fühlen. Wir können aber lernen, dass wir nicht in jeder Situation und zu jedem Preis die Anerkennung aller unserer Mitmenschen für ein intaktes Selbstwertgefühl brauchen!

Das Geheimnis liegt in der Balance! Wir müssen gut hinschauen und hinspüren, an welcher Stelle wir uns schaden, wenn wir, nur um die Anerkennung nicht zu verspielen, unsere Grenzen überschreiten und Entscheidungen treffen, die gegen unsere innere Stimme verstoßen. Die Angst, uns unbeliebt zu machen, dürfen wir als Hinweis verstehen, dass wir in einer Situation stecken, die Achtsamkeit und Abwägung von uns fordert.

Dass wir ab und zu etwas tun, weil wir uns damit die Anerkennung anderer sichern und unsere Beliebtheit steigern wollen, ist absolut okay und fällt für mich in die Kategorie „gesunde Kompromissbereitschaft“. Wenn wir dies aber ständig tun, werden wir damit nicht das gewünschte Ziel (Stärkung unseres Selbstwertgefühls durch die Anerkennung anderer Menschen) erreichen, sondern genau das Gegenteil (Schwächung unseres Selbstwertgefühls durch Selbstvorwürfe und Frustration über mangelnde Selbstfürsorge).

Das Selbstwertgefühl ist wie unser Immunsystem

Vielleicht ist der Impuls hilfreich, dass wir nicht nur Anerkennung dafür bekommen, wenn wir die Erwartungen anderer Menschen erfüllen. Wir dürfen uns ebenfalls der Bewunderung und des Respekts vieler Menschen sicher sein, wenn wir klar unsere Grenzen ziehen und dafür einstehen.

Und wenn wir diese Grenzen dann auch noch smart und wertschätzend kommunizieren, so wird dies wohl vorwiegend zu Ablehnung bei jenen Menschen führen, bei denen wir ohnehin einmal darüber nachdenken dürfen, ob wir sie in unserem Leben haben möchten oder ob es uns ohne sie nicht deutliche besser ginge.

Daneben können wir auch ganz viel dafür tun, dass unser Selbstwertgefühl nicht mehr ausschließlich oder überwiegend aus dem Werturteil von außen bestimmt wird. Ich vergleiche das Selbstwertgefühl ein bisschen mit unserem Immunsystem. Das ist ebenfalls ein sehr komplexes System, was von ganz unterschiedlichen Einflüssen abhängt und welches wir durch unsere Lebensweise unterstützen oder ziemlich vernachlässigen können. Und, genau wie bei unserem Immunsystem, rächt es sich bei unserem Selbstwertgefühl auch irgendwann, wenn wir es nicht aktiv unterstützen. Was wir selbst für ein gestärktes und intaktes Selbstwertgefühl tun können, darum wird es in meinem nächsten Blogartikel gehen.

Smart Nein sagen ohne schlechtes Gewissen

Der Workshop, den ich eingangs erwähne, ist leider schon vorbei und aktuell plane ich auch keine Wiederholung. Weil das Thema aber so viele Menschen, vor allem Frauen, interessiert, habe ich aus dem Workshop einen kleinen Mini-Kurs erstellt, den du unter diesem Link findest. Darin geht es vor allem um die Frage, was wir brauchen, um vom schlechten Gewissen in die echte innere Erlaubnis zu kommen, mit der wir endlich ohne Schuldgefühle für uns einstehen, indem wir unsere Grenzen smart und wertschätzend kommunizieren.

* Birkenbihl, Vera F.: Kommunikationstraining. Zwischenmenschliche Beziehungen erfolgreich gestalten. mvgVerlag, München, 41. Auflage 2020